Über die Symmetrie physikalischer Gesetze und der Quantenbahnsteig

Eines der grundlegendsten Prinzipien der Physik besagt, dass ein auf einem Bahnsteig hüpfender Ball von einem Beobachter in einem vorbeifahrenden Zug und einem am Bahnsteig wartenden Beobachter mit denselben Gesetzen beschrieben werden können – die Naturgesetze seien unabhängig von der Wahl eines Bezugssystems.

Bezugssysteme wie der Zug und der Bahnsteig sind physikalische Systeme und unterliegen letztlich quantenmechanischen Gesetzen. Daher können sie sich beispielsweise im Prinzip auch in einer Quantensuperposition befinden. Wie würde jedoch die Beschreibung des Balls für einen Beobachter auf einem solchen “Quanten-Bahnsteig” aussehen?, so erläutert die Universität Wien in ihrre Pressemitteilung die Ausgangssituation und Hauptergebnis.

Forscherinnen der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften wollen nachgewiesen haben, dass es vom Bezugssystem abhängt, ob ein Objekt Quanteneigenschaften aufweist. Die physikalischen Gesetze seien allerdings weiterhin davon unabhängig, so betont die Forschergruppe.

Aus philosophischer Sixcht könnte man weiter fragen, können physikalische Naturgesetze auch als ein Bezugssystem verstanden werden, das der Quantenmechanik unterworfen ist? Also, eine Universalität der Quantenmechanik.

Hier lässt sich mit einem bis dato gültigen Grundprinzip der Physik antworten: Allgemeine Kovarianz. Es besagt, dass die physikalischen Gesetze, die die Bewegung des Balls beschreiben, nicht vom Bezugssystem des Beobachters abhängen. Dieses Prinzip war seit Galileo entscheidend für die Beschreibung von Bewegung und zentral für die Entwicklung von Einsteins Relativitätstheorie. Es beinhaltet Informationen über Symmetrien der physikalischen Gesetze aus der Sicht verschiedener Bezugssysteme, so die Forscherinnengruppe. Was aber, wenn es doch keine Symmetrien sind und diese ebenso “relativ”, also ein Meta-Bezugssystem konstituieren?

Man kann diese Frage auch vom Bezugssystem als Objekt aufdröseln, also die Gesetze der Physik aus der Sicht eines am Quantenteilchen “klebenden” Beobachters zu formulieren und darüber ein Quantenbezugssystem einzuführen. Die Fortscherinnengruppe konnten zeigen, dass man jedes Quantensystem als Quantenbezugssystem betrachten kann.

Insbesondere stellten sie fest, dass – wenn ein Beobachter im fahrenden Zug den Bahnsteig in einer Quantenüberlagerung verschiedener Positionen zugleich sieht – eine auf dem Bahnsteig wartender Beobachter den Zug in einer eben solchen Quantenüberlagerung sieht. Folglich hängt es vom Bezugssystem des Beobachters ab, ob ein Objekt wie der Ball Quanten- oder klassische Eigenschaften aufweist, so die Argumentation der Forscherinnengruppe.

Das bedeutet, dass die Gesetze der Physik unabhängig von der Wahl des Quantenbezugssystems ihre Form behalten, aber unter der Annahme, dass ein Objekt mal so oder so sich verhalten kann: Einmal klassisch, einmal quantenmechanisch. Wenn man nun aber Gesetze selber als Bezugssystem betrachtet, dann würde sich alle Objekte nur mehr quantenmechanisch verhalten. Die These würde sich so vereinfachen.

Jedenfalls gilt bis dato: “Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Symmetrien der Welt auf eine grundlegendere Ebene erweitert werden müssen“, sagt Flaminia Giacomini, die Hauptautorin der Publikation.

Über die Relevanz dieser Fragestellung erfährt man: Diese Erkenntnis könnte im Zusammenspiel von Quantenmechanik und Gravitation relevant werden – ein Gebiet, das größtenteils noch unerforscht ist. Denn dort wird erwartet, dass der klassische Begriff des Bezugssystems nicht ausreicht und dass Bezugssysteme grundsätzlich Quanten sein müssen.

Damit bleibt das Tor offen: Können Gesetze selbst Bezugssysteme sein?

 

 

Originalpublikation: Publikation in Nature Communications “Quantum mechanics and the covariance of physical laws in quantum reference frames”, F. Giacomini, E. Castro-Ruiz, and Č. Brukner, Nature Communications (2019),  DOI: 10.1038/s41467-018-08155-0

 

 

 

(Quelle: Universität Wien/Parvanov)