Experten, Entscheidung und kollektive Intelligenz

Wie findet man heraus, wer in einer Gruppe die genauesten und somit besten Entscheidungen trifft?

Ein interdisziplinäres Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hat dazu eine einfache Methode entwickelt und erfolgreich in verschiedenen Gruppen getestet. Die Ergebnisse der Studie sind im Journal Science Advances erschienen.

“Sobald mindestens die Hälfte aller Entscheidungen innerhalb der Gruppe richtig sind – was bei Expert*innengruppen typischerweise der Fall ist –, man circa 20 Entscheidungen pro Person vorliegen hat und es sich um Ja-oder-Nein-Entscheidungen handelt, können wir diese Methode sehr erfolgreich anwenden“, sagt Max Wolf, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei und Koautor der Studie.

Die Wissenschaftler haben diese Methode aus Erkenntnissen zur Kollektiven Intelligenz entwickelt. Sie beruht auf einer einfachen Annahme: Wer innerhalb einer Gruppe von Experten Entscheidungen trifft, welche die höchste Ähnlichkeit zu den Entscheidungen der Anderen haben, trifft auch die besten Entscheidungen. In mathematischen Modellen lässt sich diese Annahme bei Ja-oder-Nein-Entscheidungen einfach nachweisen. Um zu überprüfen, ob die Methode auch in realen Gruppen funktioniert, haben die Forscher schon publizierte Vorhersagen und Diagnosen verschiedener Gruppen aus verschiedenen Bereichen analysiert.

So untersuchten die Wissenschaftlerinnen zum Beispiel Diagnosen von 100 Radiologinnen aus den USA. Den Radiologinnen wurde Anfang der Nullerjahre die Aufgabe gestellt, bei 155 Frauen anhand deren Mammografien zu entscheiden, ob sie Brustkrebs haben oder nicht. Vergleicht man diese Radiologinnen und ihre Entscheidungen, kann man diejenigen ermitteln, deren Entscheidungen insgesamt am ähnlichsten zu den Entscheidungen der anderen waren. Da die Wissenschaftler Zugang zu den späteren Krankheitsverläufen der 155 Patientinnen hatten, konnten sie auch feststellen, welche Radiologen die genauesten und somit besten Diagnosen stellten. Es waren dieselben, die die Wissenschaftler mit der statistischen Methode ermittelt hatten.

„Es zeigt sich immer wieder, dass gute Expert*innen in ihrem Fach auf eine ähnliche Art und Weise gut sind, dagegen sind die schlechten unter ihnen auf ganz unterschiedliche Arten schlecht. Aus dieser Beobachtung heraus haben wir diese Methode entwickelt und in verschiedenen Bereichen erfolgreich überprüft“, sagt Ralf Kurvers, Erstautor und Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

„Wir glauben, dass der Zusammenhang zwischen Ähnlichkeit in den Entscheidungen und deren Genauigkeit ein wirkungsvolles Werkzeug für die Praxis sein kann. Kollektive und individuelle Entscheidungsprozesse in der medizinischen Diagnose, in Umweltrisikoanalysen oder in der Wirtschaft können mit dieser Methode verbessert werden“, sagt Koautor Stefan Herzog, ebenfalls Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsbereich Adaptive Rationalität.

Quelle/Sender: Max-Planck-Inst. f. Bildungsforschung/Skork