Kein Blut ist röter

Eine gespenstische Diskussion lugt um das Eck, die Wirtschaft und Leben gegeneinander aufrechnen will und meint, nun sei es gut, man müsse endlich den Lock-Down aufheben, zumindest mildern, um die Wirtschaft zu retten.

Da schwebt einem dann schnell vor, dass man die Risikogruppe, die Alten mit Vorerkrankung, einfach in Quarantäne verfügt, manche meinen sogar in Lager, wo sie doch besser versorgt werden können und überhaupt.

Je nach Fortschritt des eigenen Alterungsprozesses sprechen sich die Fürsprecher dieser selektiven Quarantäne von Menschen ab 60, ab 65 oder ab 70 aus. Mit 80 sei auf alle Fälle Schluß.

Diese gespenstische Debatte wird flankiert von jenen, die da durchaus zurecht in der aktuellen Notstandsverordnungen die Aufhebung von Demokratie, Rechtsstaat und Verfassung ausmachen. Auch sie sprechen sich für die Aufhebung des Lock-Downs aus. Im Blick hat man jedoch eher die erstere Unvereinbarkeit, die tatsächlich keine ist, doch später.

Die Frage, warum ein Lock-Down die Suspendierung des Parlamentes braucht, erschließt sich mir nicht. Man kann diesen Lock-Down sehr wohl auch im Rahmen der Demokratie und unter Einhaltung des Rechtsstaates durchführen.

Die vorübergehende Einschränkungen von Bürgerrechten sind durch einen Rechtsstaat demokratisch legitimiert und sollten begründete Ausnahmen unter strenger Kontrolle einer aufmerksamen Opposition und unabhängigen Richterschaft bleiben.

Leider fehlt die strenge Kontrolle durch eine aufmerksame Opposition. Die Unabhängigkeit (und Mut) der Richterschaft lassen sehr zu wünschen übrig. Da ist viel Luft nach oben.

Mehr noch: Die Aushebelung des Bundestages, wie aktuell geschehen, ist weder notwendig noch geboten wie auch die dilletantische Durchführung des Lock-Downs nicht notwendig ist, dessen Folgen nun durch eine nicht mehr beherrschbare Bürokratie vertieft werden.

Hingegen, das Virus und der Lock-Down zeigen sehr präzise die strukturelle Dysfunktionalität der gegenwärtigen politschen und wirtschaftlichen Ordnung und Expertise auf, die weder in der Lage ist noch über die Kompetenz und Mitteln verfügt, auf Notlagen im allgemeinen und auf die Corona-Pandemie im besonderen sinnvoll zu reagieren. Das ist jedoch ein anderes Thema, welches ich an anderer Stelle angerissen habe.

Dies gesagt, kann man wieder zur eingangs gestellten Hauptfrage zurückkehren, die sich simpel und einfach durch das Grundgesetz und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte grundsätzlich und abseits aller anderen faktischen Einwände erklärt: Alle Menschen sind gleich an ….. Jeder weiß, wie es weitergeht. Da gibt es keinen Millimeter Raum für das Wegsperren und Aufheben der Demokratie und Entmachtung des Bürgers.

Es ist vielleicht wert, hier die beiden Kernpassagen aus dem Grundgesetz in Erinnerung zu bringen:

In der Präambel heißt es: “Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen,
von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben
.”

Der erste Satz im 1. Artikel des Grundgesetzes lautet: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.

In Folge erklärt sich das Deutsche Volk im zweiten Satz, diese Würde als Staatsziel zu schützen. Es ist Pflicht:

Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

Damit ist eigentlich alles gesagt und begründet. Die Aussage ist die Erläuterung, gibt die Auslegung.

Kein Blut ist röter, egal ob man nun ein alter Mensch, ein Mensch mit Behinderung ist oder ein Mensch im Vollbesitz seiner Gesundheit.

Aber dieser 1. Satz in diesem 1. Artikel hat sich das Deutsche Volk nicht vor sich, alleine in seinem eigenen Angesicht gegeben, sondern das Deutsche Volk hat dies vor zwei Zeugen gesprochen gegen die es das größte Verbrechen der Menschheit begangen hat.

Das Deutsche Volk hat verstanden, als ihrer Diener das Knie für den Frieden der Welt zu beugen: Vor G’tt und der Menschheit.

Da steht nichts, dass man Alte, Behinderte und dann alle anderen, jedermann, außer nur mehr junge Menschen bis 30 und alle Systemrelevanten wegsperren solle, wenn es die Lage erfordert.

Da steht nichts von der Aufhebung dieses Grundgesetzes. Aber es steht alles über seine Plicht, die es sich als Deutsches Volk und seinem Staat gegenüber seinen Bürgern auferlegt hat: Zu schützen!

In diesem Bekenntnisses vor den Ohren und Augen der Menschheit und vor G’tt steht nichts, auch nur einen Teil, weil er sein schwächsten Teil ist, zu opfern, wegzusperren, zu entrechten oder in Lager zu verfügen.

Mit gutem Grund verwehrt sich das Deutsche Volk dies.

Aber sagen wir, dass Deutsche Volk meint es nicht so ernst mit sich selbst, so bleiben dann doch noch die Zeugen, deren Grundsätze unhintergehbar sind und sagen, kein Blut ist röter. Jedes Leben ist gleich viel wert.

Ein Leben zu retten, meint die ganze Welt zu retten, ist das Leben in Gefahr, kann sogar Schabbat und seine Gebote gebrochen werden und G´tt selbst verbietet, über den Tod des Feindes zu jubeln.

Leben ist alles und ist das einzige, was zählt. Alles andere ist der Vorhof zur Barbarei. So ist es keine Frage der Moral oder Ethik, sie sind willkommene Zuwage, sondern harter Pragmatismus diktieren dies einem. Wie sonst anders hätten diese und ähnliche Prinzipien rund 4.000 Jahre überleben und sich als überlegen erweisen können?

PS: Und auch aus einem ökonomischen Blickwinkel ist es mehr als unklug, einen nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung ein- und wegzusperren. Das funktioniert nur – und da scheitert es eben über kurz oder lang grausam und in Armut – in Planwirtschaften und sozialistischen Wirtschaftsweisen. Eine offene, freie Marktwirtschaft lässt sich innert einer Gesellschaft nicht segmentiert und segmentierend abbilden ohne gravierende Deformationen ihrer selbst. Was die Gesellschaft, die Politik und mit ihr die Wirtschaft, besonders in Europa, wird lernen müssen: Ja, es gibt eine feindliche, grausame Welt da draußen gegen die man sich sehr sehr gut vorbereiten muss, um zu überleben, sein eigenes Leben zu wahren und zu schützen als Pflicht. Darin der Pragmatismus, das Tun! Der Notfall ist der Normalfall. Die rund 70 Jahre behüteter Ponyhof sind vorbei. Europa muss sich jetzt, noch während dieser Krise, neu aufstellen, um resilient zu werden. Schnell und rasch.