Hoffnung: Die Mauern von Jerusalem. Kapitel 2/Abschnitt 5

Eine Keltin und ein Jude bewahren den wichtigsten Schatz der Menschheit, die Verschwörung gegen Juden, ein Virus bedroht alles, Menschen mit Down-Syndrom retten das Universum, ein verlorenes Amulett bei Wien erzählt die verleugnete Geschichte der Todescos (Wien) und die Menschheit entdeckt das Raum-Zeit-Leben Kontinuum. Ein prosa-mythopoetisches Pardes über das Wort “יז” aus der Zukunft jagt durch die Gegenwart. Alles verbunden im Quantenfeld durch das Raum-Zeit-Leben-Kontinuum, wo Philosophie und Artificial Intelligence sich umarmen, erzählt vom philosophischen AI-Avatar ‘Der Protagonist’.

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KAPITEL 2/Abschnitt 5 – ERSTE LEISTE: ROM

SCHABBAT am 17. März 180

Jener Schabbat am 17. März 180 sollte der wichtigste Schabbat für Jezer werden, denn lernte er doch in jener Nacht seine künftige Frau kennen. „Schalom und Salve Dir, mein Bruder Ahira!“, begrüßte Jezer Tiberius bei seinem jüdischen Namen. „Unser gemeinsamer Schutzherr ist heute verstorben. Ich denke, es weiß noch niemand. Lass uns zu Schabbat sitzen in der eiligen Form“, sagte Jezer und sprach: „Schabbat Schalom.

Schabbat Schalom, Dir auch, mein Bruder. Ich ahnte es schon, dass Marc nicht mehr lange leben wird. Lass uns schwören zu Deiner und meiner Sicherheit, dass wir das Geheimnis der Bruderschaft zwischen uns liegen lassen.” Sie griffen sich an der Hüfte und schworen.

Ja, mehr als klug und weise gesprochen. Ich denke, wir alle werden dies Land verlassen müssen. Eine neue Zeit steht vor den Toren”, setzte Jezer fort. Beide sahen sich schweigend, kauernd gegenüber sitzend an. Sie wussten, sie spürten, was viel schwerer wog, es ward eine neue Epoche im Werden.

Ach, lass Dir was schönes erzählen, mein Bruder. Heute habe ich eine Frau für Dich kennengelernt“, frohlockte Ahira im derben, soldatischen Ton. „Nicht schon wieder, mein Bruder, wann wirst Du es denn aufgeben und sein lassen, mich zu verkuppeln?! Mich interessiert es nicht mehr, seit dem Tod….“, „Ja, ja, Deiner ersten geliebten Frau, deren Namen wir nicht mehr aussprechen sollen“, setzte Ahira fort. „Aber es ist nicht gesund, die Lenden ruhen zu lassen.“ „Nun, so ruhend sind sie auch nicht wieder“, gab Jezer verschmitzt zurück. „Ja, aber ohne Kind. Nur Kegeln werden Dir vielleicht geschenkt. So macht es keinen Sinn. Es ist Verschwendung.“ „Großzügigkeit und milde Gaben sind Mitzwot“, entgegnet Jezer und sie ließen das Thema bewenden. Vorerst.

Jezer blickte auf den Schein der Kerzen: Es spülten, zuerst langsam und kräuselnd, dann doch immer heftiger und wuchtiger, Wogen von Bildern seiner vor einem Jahr verstorbenen Frau auf dem Strand seiner inneren Stirne. Zartes Schimmern flackernder Kerzen loderte bernsteinbraun auf der Haut seiner Frau, die nach dem Entzünden der Kerzen mit einem Span ihm Schabbat Schalom wünschte. Beide genossen das Mahl und sich. Es ward ihnen Leben geschenkt, Ha-Schem öffnete ihren Mund, doch es war mehr ein rascher Rückruf einer reinen Seele, denn Kind wie Mutter verstarben während der Geburt. Und jetzt fiel ihm Danu ein. Jene Frau, die vor wenigen Stunden im Dunkeln ihm und seinem Pferd im Weg stand und ihn mit ihrem klaren Blick, ihrem offenen Lächeln und ihrer üppigen Figur in Bann geschlagen hatte. Er schämte sich.

Jezer konnte und wird dies nie verstehen, warum G’tt Leid zulassen muss und dieses braucht, um seinen Plan zu verwirklichen. Er hörte auf seinen Reisen von einer neuen jüdischen Lehre, die älter als die Mischna sei, was er aber nicht glaubte. Sie nannte sich Kabbalah. Sie sagte der freie Wille habe die freie Wahl zwischen dem Leid und dem Befolgen der Mitzwot zu entscheiden. In jedem Falle aber führte die eine wie die andere freie Wahl zur Erlösung von G’tt, dem Menschen, der Welt, ja des Universums. G’tt wird dann mit seiner Schechina wieder ganz. Diese Zukunft wurde in der Vergangenheit festlegt.

Es hat wohl etwas mit der Freiheit zu tun. Alles ist vorherbestimmt, wie es dem freien Willen gegeben ist, sich gegen die Vorbestimmung zu stellen. Darin liegt der Sinne des freien Willens. Es muss wohl mit freiem Willen geschehen, aus eigener Entscheidung. G’tt gibt nur das Ziel vor; man ist frei, es nicht anstreben zu wollen. Es heißt, „Du wirst nicht töten wollen“, und nicht „Du sollst nicht töten“, wie die Christen sagen“, so wälzte Jezer aber und tausendmal diese Gedanken jede Nacht seit mehrere Jahr hin und her. Er konnte ihren Tod nicht verwinden. Mord und Selbstmord zur Ehre G’ttes sind unjüdisch, wie die Worte und Wege des Herrn unergründlich bleiben.

So saßen die Brüder im Tabernaculum von Ahira, welches wirklich gewaltige Ausmaße hatte und an Luxus einem Kaiser würdig war. Ganz anders als das Tabernaculum des verstorbenen Marc Aurel, den Jezer beim Verlassen zum Schabbat noch in die Eiskiste gelegt hatte. Aurel sollte ohne Geruch gefunden werden, das war er ihm schuldig. Und es verschaffte ihnen auch wertvolle Zeit, denn der Schabbat wollte gehalten sein. Es gab auch in Ahiras Tabernaculum eine Eiskiste, die er, Jezer, erfunden hatte: Eis und Alkohol gemischt mit Salz in einem Verhältnis 1:4, gut gemischt und abgedichtet in dünnwandigen Schläuchen, die dann in die Kisten wie Schlangen gelegt werden und die Kiste so kühlten. In einer solchen Eiskiste lagerte Ahira Eis zum Löffeln.

Das Eis war mit Rosenwasser und Honig gewürzt und sehr beliebt in Rom. Die Eiskiste war eigentlich keine Erfindung, sondern eine Entdeckung gewesen, als Jezer die Aron habrit, die Bundeslade, die von seinen Vorvätern von Generation zu Generation überbracht worden war, in ein neues Versteck überstellte. Er vergrub gemäß Jahrhunderte alten Brauchs die Aron habrit ausgehend von der koscheren Ecke des Militärlagers Carnuntums am ersten Berge. Das symbolische Schin wurde noch nicht gesetzt, welches nur Kundige zu entdecken und zu sehen vermochten. Es soll künftige Generationen zum Aron habrit führen. Der Protagonist fügt ein: „Verstehst Du, lieber Leser, warum die heute gewaltigste Grabungsstätte Europas, die mit viel Aufwand und Mitteln betrieben wird, Carnuntum ist?! Weil man nach dem 1. Kreuzzug zu vermuten begann, dass hier die Bundeslade versteckt sei. Das Wissen darüber verlor sich.

Nachdem man die Bundeslade Nebukadnezar mit List dereinst wieder entrissen hatte und fürderhin versteckte, wurde es Brauch, die Verstecke zu markieren. Nebukadnezar wurde eine Kopie untergejubelt.

Navigation is alles! Man markierte man (sic!) einen Ausgangspunkt, von welchem man das Versteck schließlich finden konnte. Der Ausgangspunkt war stets mit einem Schin markiert, welches man selbst erst durch geheime Anweisungen, die von Generation zu Generation, wie ein Schlüssel von einem verlorenen Haus, weitergegeben worden waren, entdecken konnte. Ob das Haus noch steht, weiß niemand. Nebukadnezar verbrannte nur eine wertlose Kopie der Bundeslade.

Das Ziel war stets ein Berg; und Berge sind gute Verstecke. Zwei jüdische Legenden, wo beide je einen Teil der Wahrheit darstellen, aber mit Absicht in Gegensatz zu-einander gestellt wurden, damit der Blick auf das Ganze weiterhin verstellt bliebe. Die beiden Legenden sind so zwei Teile, die zueinander gefügt werden sollen. Es zählt nur das Ganze, das aus unendlichen Details besteht.

Nach der einen Legende hat König Joschia aus der Dynastie der Daviden – den Jesus ben Sirach als Ideal des jüdischen Königs sah und der die Einheit der Stämme erneuerte – die Bundeslade und die Bundestafeln versteckt. Die andere Legende lautet, der Prophet Jirmejahu, oder auch Jeremias genannt und der Zeitgenosse eng verbunden mit König Joschia war, habe die Tafeln auf einem Berg versteckt, auf dem Berg Nebo, wo Moses im 120. Lebensjahr verstarb und von der Anhöhe des Berges auf Eretz Israel herabblicken, es aber nicht betreten durfte.

Beides zusammengefügt heißt: Die Tafeln werden getrennt jeweils auf je einem Berg versteckt gehalten. Die Lade war nur leeres Opfer, die Tora erzählt genau, wie sie stets neu zu bauen sei, denn sonst macht die genaue Planangabe ja überhaupt keinen Sinn. So wie die Arche. man kann sie jederzeit neu bauen, wenn notwendig.

Allein, die Tafeln waren wichtig, unreproduzierbar, Artefakte. Ein zweites Mal sollten sie nicht mehr zerbrechen. Und Nebo war einfach ein Hinweis, der sagt, man nehme den jeweils höchsten Berg, der mit dem jeweils tiefsten Punkt der Umgebung verbunden ist, denn Nebo meint Höhe. So hatte man zwei Punkte und eine Anleitung, die zum genauen Ort des Verstecks führt. “Die Anleitung ist aber noch ein Geheimnis“, so der Protagonist. „Gedulde Dich!

Pragmatisch wie er war, hatte Jezer bei einem Transport der Bundeslade – von Marakanda auf den Weg der Seidenstraße und dann auf die Bernsteinstraße hinauf zum pannonischen Limes bei Carnuntum – in diese Alkohol und Salz zur Tarnung und Täuschung eingelegt. Das viele Rütteln über Wege, auch wenn es teilweise römische Straßen waren, setze schließlich eine chemische Reaktion frei, die zur Eisbildung führte. Er fand dann bei der Ankunft und dem kontrollierenden Öffnen der Bundeslade die Gesetzestafeln mit einer dünnen Eisschicht bedeckt vor.

So fügte sich das Eine in das Andere, getrieben durch Neugier und Eifer, und schließlich war die Eiskiste entdeckt und auch gefertigt. Doch es gab ein Problem: Jezer hatte keinen Sohn, der die Nachfolge, diese Last der Familie antreten konnte. Es schweiften die Gedanken und er ließ sich vom Luxus des Tabernaculums seines Bruders berauschen. Dazu gehörten auch zwei Schabbes-Dienerinnen, die seinen feisten Schwanz leckten, um ihn von der üppigen Erektion lzu säubern. Post irrumabo, cauda haesit, quod odiosum est. Vielleicht erhebt er sich ein zweites Mal, doch nein, es blieb dabei. Der Hunger war nach diesem Vorspiel zu groß.

Nun erzähl mir doch von ihr! Aber sei ein wenig zurückhaltend, nicht übertreiben wie üblich“, sagte Jezer und wandte sich dem Eintopf zu. Er war bereitet aus Rindfleisch und dem Gemüse der Region, wie Karotten, die ihm bisher gänzlich unbekannt waren, aber ihm vorzüglich schmeckten. 12 Stunden wurde das Fleisch im geschlossenen Tongefäß mit Gewürzen aus der Heimat Jerusalem bei kleiner Flamme geschmort. Das Fleisch ward mürb und lag im eigenen Saft, so dass ein Greis oder Säugling es hätte essen können. Dazu warmes, fettes Fladenbrot aus dreifach gesiebten Weizenmehl mit hellem Sesam bedeckt, reichlich drakisches Olivenöl, Tahin verrührt mit Knoblauch, Kümmel und Rosmarin und verschiedenes Bohnenmus von sauer über süß bis scharf. Dazu getrocknete Früchte aus Damaskus, Nüsse aus der Romania und Kürbiskerne, eine hier heimische Delikatesse. Schließlich reichlich Eier, gefüllt mit verschlagenem und scharf gewürztem Öl mit Dotter und frisches Obst, soweit es vorhanden war.

Besonders die aus Rom gebrachten und kultivierten Trauben, die sich anpassten und in der Kälte hier erst richtig reiften und so eine schwere Süße bekamen, hatten es den Brüdern angetan. Manch ordentlich fürchterlicher Furz entwich unter grobem Gelächter. Jeder Griff zum Essen ward von Brachot begleitet, manchmal vergaß Jezer die eine oder andere zu sprechen, so schmeckte es. Es war so üppig, dass man sich keine Sorge machen musste, nichts könne über bleiben, was ja geboten war. „Und was, hast Du jetzt Marc wirklich in die Eiskiste getan?“, fragte kauend schmatzend Ahira. „Ja, sicher, aber lass uns nicht von den Toten sprechen am Schabbat, sondern von den Lebenden“, gab Jezer ebenfalls heftig schmatzend zurück.

Als Dein persönlicher Protagonist muss ich bemerken,…: “ …bevor die Geschichte wieder fortfahren kann, dass die Innovatoren der Geschichte, gemeint die Juden, nun an jener Ecke des Donauknies angekommen sind, wo auch die Bernsteinstraße die Donau querte. Dies sollte fatale Konsequenzen haben. Carnuntum und Vindobona waren so keine Zufälle, noch militärische Launen eines Größenwahnsinn-ingen, sondern antike Knotenpunkte von Macht und Wirtschaft. Die Wahl des Standortes war rational. Hier wurden die Weichen der europäischen Geschichte gelegt und immer wieder neu gestellt. Wer diesen Raum definiert, definiert Europa; bis heute. Jerusalem war – nach seiner dritten Erhebung gegen die Herrschaft Roms, weil es nicht das Beschneidungsverbot anerkennen wollte und man den Neubau des 2. Tempels verbot – zu diesem Zeitpunkt bereits von Kaiser Hadrian völlig vernichtet und sein Name getilgt: Judäa bekam von den Römern den als Kolonialnamen gemeinten und nur scheinbar neuen Namen: Palästina. Israel sollte im Abyss der Namenlosigkeit zermalmt werden, so der Plan der Römer. Doch die Galut bewahrte Zion im Herzen und wurde durch das Licht der Tora durch die Jahrtausende geführt, so wird die Geschichte erzählt. Und Israel überlebte. Rom als ROM gibt es heute nicht mehr und ihre Cesaren werden auch bald völlig vergessen sein, denn Europa verschwindet gerade. Die Ironie der Geschichte ist, dass Rom just jenen Namen wählte, mit welchem Ägypten den Norden Israels zu bezeichnen pflegte. Palästina war nie etwas anderes als eine weitere, ägyptische Bezeichnung für Israel. Der Irrtum Roms sollte noch fatale Folgen haben. Alle Reiche, die Israel vernichten wollten, überlebten nicht: Pharaonen, Assyerer, Babylonier, Griechen, Römer, Karl der Große, das Mongolen Reich, al-Andalus, Hohe Pforte, Kolonialismus, Habsburger Reich, Deutsches Reich, Zarenreich, kommunistisches Reich und heute finden sich Europa und die USA in einer bedrohlichen Lage, da sie sich zunehmend gegen die Juden wenden. Die einzigen Reiche, welche die Jahrtausende überlebten, sind China und Indien. Dies ist aber wohl dem Mangel an Gelegenheit geschuldet. Denn auch die Chinesischen Kaiser und die indischen Mogule hätten es versucht und damit wohl den Untergang Chinas und Indiens eingeläutet.

Doch das wusste Jezer und sein Bruder alles nicht. Sie lagen weiter bei ihrem Kiddusch, der mehr und mehr einem römischen Gelage glich. “Bruder, wusstet Du, dass ja heute unser Monat ist, der Monat Adar, der uns geweiht ist?! Das macht den heutigen Schabbat noch einmal besonders. Lass uns anstoßen” und er sprach: “Barauch ata Adonai, bore p’ri hagafen!” “Amen” brummten beide und leerten die Becher. Eineganze Gebetsstrecke wurde vergessen, so trunken waren sie schon.

Also, erzähl mir nun von der Frau, die Du da für mich ausgesucht haben willst”, hakte Jezer doch neugierig nach. „Gemach, kommt noch, aber wir haben Wichtigeres heute zu besprechen. Was machen wir mit der Bundeslade und den Tafeln? Lassen wir sie dort am Berge bei Carnuntum vergraben liegen oder verbringen wir sie an einen anderem Ort?“, schlug Ahira ein neues Thema auf. „Eine schwierige Frage, lassen wir sie dort, müssen wir gute Hinweise setzen, damit sie auch Generationen später wiedergefunden werden kann. Das Risiko ist, dass sie auf immer verloren gehen kann. Oder wir verbringen sie jetzt woanders hin. Da ist das Risiko groß, dass wir entdeckt und in Folge Gefangene werden, die man hinrichtet und die Bundeslade und die Tafeln sind auch verloren. Also, damit ist die Kalkulation klar. In beiden Fällen haben wir das Risiko, die Bundeslade auf ewige Zeiten zu verlieren, aber nur in einem Fall können wir zusätzlich unser Leben verlieren“, führte Ahira, jetzt ganz Militärstratege, weiter aus.

Die Entscheidung ist somit klar“, sagt Jezer. „Wir lassen sie dort, wo sie ist und schaffen für künftige Generationen Hinweise zur ihrer Auffindung“, sagte Ahira abschließend. „Wir werden wie schon seit Generationen es Minhag ist, das „Schirat Ha-Jam“, das Lied der Freiheit, verwenden, um die Hinweise, die zum Feuer der Tora führen, zu verbergen. Nur wer die Schrift, das Land und den Tanz der Miriam in korrekter Weise kennt, wird die Bundeslade finden können.“, legte Jezer dar.

Nun, dann werden wir von Carnuntum ausgehend die Spur zum Berge, und dann den Pfad am Berge zum Versteck nach den alten Regeln markieren müssen. Ich denke, in Carnuntum wird sich das Zeichen am ehesten halten können, denn Vindobona wird wohl eine große Stadt werden. Wir werden in ihr die koschere Ecke verlieren. Kein leichtes Unterfangen. Du wirst dazu jemanden brauchen, der ortskundig ist, denn die Spurenlegung kann auch mal über den Limes führen und da bist Du sicherer als ich, der ich Tribun bin und damit jedem Feinde wohlbekannt“, schloss Ahira.

Ein ohne Zweifel wahres Argument und Jezer musste so und so zusehen, dass er sich dem Zugriff der Prätorianer entzog. Unvermittelt wechselte Ahira das Thema, während Jezer noch darüber nachdachte, wie denn dies alles zu bewerkstelligen sei. „Hast Du schon gehört, Jezer, es soll da jetzt Rabbinen geben und die wollen unsere Bräuche ändern? Frühere Tempeldiener, die jetzt glauben, Herren zu sein! Sie sprechen davon, dass am Schabbat zwei Kerzen von Frauen entzündet werden sollen und andere Neuerungen mehr. Hat Jesus, dieser Verräter, denn nicht schon gereicht? Jude sein wollen! Ohne Beschneidung?!

Nur in der Mikwe oder in einem Fluss ein wenig unterzutauchen soll reichen?! Die Tora reicht. Alle Neuerungen sind durch die Tora verboten! Vergiss nicht, hat nicht der Ger Rabbi Akiwa uns in den verheerenden Aufstand von Bar Kochba geführt, der uns endgültig vernichtet hat!

Jezer verschwieg seinem Bruder an dieser Stelle, dass er die Rabbinen faszinierend fand und überlegte, selber Rabbiner zu werden. Sein heimliches Vorbild war Rabbi Akiwa, denn für ihn sind alle Neuerungen durch die Tora geboten. „Aber Jesus war und ist einer von uns. Er soll ein Nachfahre von König David und dessen Urmutter Rut sein, auch wenn es Zweifel gibt und viele meinen, er sei nur ein Samariter. Aber was, wenn nicht! Vergiss das nicht! Jesus mochte halt die Pharisäer nicht. Gut und schön. Aber, wir werden mit der Zeit gehen müssen oder nicht mehr sein, wie es schon seit Abraham Brauch darstellt. Wandel, Wandel, Wandel. Auch er wurde im hohen Alter berufen und ging nach Ägypten. Rabbi Akiwa sagt: „Lass einen guten Mann gute Taten mit demselben Eifer vollbringen, wie ein böser Mann böse Taten begeht, dann wird das Gute gewinnen, denn sie ehren Gott! G’tt ist immer auf der Seite des Guten und legt bei Gleichstand den Finger auf die Waage, denn G’tt ist gut“, gab Jezer zurück.

In dem Punkt der Ablehnung von Jesus waren sich die Brüder einig; sie mochten beide Jesus nicht, aber seine Kreuzigung bedauerten sie trotzdem, denn er war im Zweifel Jude, der sich sicher war, dass der Herr vor ihm gehe. Das glaubten Juden schon lange nicht mehr. Diese Gewißheit vor dem Herrn zu wandeln, ging irgendwann leise verloren. Jesus handelte als würde er G’tt sehen und hören. Für dieses Handlen, nicht wegen seiner Gründe, musste Rom ihn töten.

Gut, dann lass uns lieber über die Frau reden, zudem wir ja beschlossen haben, dass Du jemanden brauchst, der ortskundig ist. Wir werden wohl ewig und einen Tag keine einig Meinung zur Tora haben. Jeder hat seinen eigenen Weg zu Elohim zu finden. So ist es bestimmt.“ „Ja, so ist es bestimmt; jeder Jude hat seinen eigenen Pfad zu Adonai“, stimmte Jezer seinem Bruder zu. Jezer entzündete die Kerzen. „Er mag es ja doch, die Kerzen!“, dachte Jezer bei sich und schmunzelte dabei, aber eine gewisse Nachdenklichkeit und Unbehagen überkam ihn doch plötzlich.

Er hatte das Gefühl, mal wieder von seinem Bruder geleimt worden zu sein, ein Opfer seiner Finten und Manöver und Pläne. Nun, er war der Tribun primus, er war Stratege, der oberste Feldherr nach dem Kaiser. Und sein ihn beschleichendes Gefühl trog ihn nicht. Ahira führte noch ein Schwert hinter dem Schilde.

Kaum gedacht, zog ein leichter Luftzug durch das Zelt, als ob jemand eintrete. Und es trat tatsächlich jemand ein. Da stand sie. Danu. „Deine Führerin, mein lieber Bruder, Deine Frau. Darf ich Dir vorstellen, Danu. Danu, das ist Jezer mein Bruder.Jezer sah zu seinem Bruder und flüsterte ihm fragend ins Ohr: „Sag, Du hast gewusst, dass der Kaiser tot ist?!“ „Natürlich, mein lieber Bruder, wäre ich denn sonst Tribun!“, gab Ahira schnippisch-freudvoll leiste flüsternd zwichen großen Gesten, die auf Danu zeigten, zurück. Er liebte es, seinen Bruder neckend reinzulegen.

Danu und Jezer brachen auf. Sein Bruder hatte schon alles arrangiert und ein zweispänniger Lastkarren mit einem massiven Holzaufbau auf zwei Achsen stand bereit zum Aufbruch vor dem Tabernaculum. Es war an alles gedacht und der Wagen war voll ausgestattet mit Proviant, Waffen, Gerätschaften und Seilen, sowie Fellen für das Übernachten und verschiedenem Küchenrat. Ahira hatte an alles denken lassen. Ein wertvoll gefertigter Lederbeutel mit Münzen und Gold fand sich in Jezers Umhängetasche nebst verschiedenen Dokumenten, Passierscheinen und Freibriefen.

Jezer lächelte. Es roch nach einer guten Reise und einem guten, starken Abenteuer mit viel Schmackes und Schmaltz. Er blickte in den Beutel und fand obenauf eine alte Münze, nach der er sich schon lange sehnte. Es war die Münze aus dem dritten Jahr von Bar Kochba. Auf ihr stand geprägt: „Für die Freiheit Jerusalems

Seine erste Reise nach 17 Jahren. „Ich alleine werde den Weg bestimmen“, so dachte Jezer. Welch ein Irrtum, wie sich noch herausstellen sollte. Jezer fuhr zu einem Versteck, vorbereitet von seinem umsichtigen Bruder und verbrachte dort die ersten 14 Tage, denn Jezer ließ sich Bart wachsen, die Haare färben und einen anderen Schnitt setzen. Er musste sein Aussehen verändern. Und vor allem: er hatte noch Berechnungen anzustellen, um die koschere Ecke Carnuntums zu bestimmen.

Danu bereitete ebenfalls ihre Abreise vor. Sie war nach ihrer Sitte zudem unrein und hätte unverheiratet nicht dasselbe Haus mit Jezer teilen dürfen: Sie hatte den letzten Tag von ihrer Phase der Tage. Dies meint, sie durfte als Unverheiratete nicht im selben Haus, als Verheiratete nicht im selben Raum wie der Mann schlafen. Die Phase der Tage umfasste nach keltischem Brauch den ersten Tag der Regel und endet zum 10. Tag nach der letzten Blutung. Der Rahmen wird gesetzt.


Größer ist das letzte Wunder als das erste.“ (Gemara)

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