Ground Zero und fünf Dinge, die man überlegen sollte, bevor man mit Artificial Intelligence (AI) startet

AI gilt ohne Zweifel und berechtigt als eines der neuen Technologiefelder, die per se als Innovation erachtet werden. Dieser Standpunkt ist grundsätzlich richtig. Doch wie vor der Anschaffung eines Autos sollte man sich fragen, ob man überhaupt die Voraussetzungen erfüllt und ob man tatsächlich ein Auto braucht.

Folgende fünf Voraussetzungen scheinen mir besonders wichtig und adressieren Fragen auf dem operativen Level. Kann man diese nachstehend angeschnittenen Voraussetzungen schaffen, dann gewinnt man schon alleine durch die Schaffung dieser Voraussetzungen Vorteile hinsichtlich Produktivität, Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit.

0. Ground Zero – der philosophical turn

Die grundsätzlichere und schwierigere Frage zu AI lasse ich hier mal außen vor, die da lautet: Was soll AI überhaupt sein und von welcher Art von Intelligenz spreche ich überhaupt. Man landet hier sehr rasch in philosophischen Sphären, wo Ratio, Intuition, Emotion, Traum und mehr geht.

Der menschliche Verstand, eigentlich Erkenntisweise, ist nicht trivial und nicht nur im Gehirn lokalisiert, wo wiederum dieses auf Logik reduziert wird. Wäre es so, wir säßen noch nicht einmal in der Steinzeit am Feuerplatz ohne Feuer.

Es ist der ground zero. Wir bilden die AI in Abbilde unserer Intelligenz, über die wir kaum gesichertes Wissen haben, aber sehr stolz darauf sind. Wenn sie nach unserem Abbilde geformt wird, ist dies nicht automatisch ein Kompliment und wünschenswert und Bescheidenheit würde nicht schaden. Der menschliche Verstand hat nicht nur Einstein, Mozart und Moses hervorgebracht, sondern Hitler, Charles Manson oder Stalin.

Darum sollte man AI nicht an die Stelle fehlender Strategie, Mission & Vision setzen. Sie kann letztere nicht ersetzen und ihre Nicht-Beantwortung holt sie mit Gewissheit ein. Hase und Igel wie auch Skorpion und Frosch lassen grüßen.

Und da reden wir noch nicht über Bewußtsein, Kreativität oder Lernen. Ganz zu schweigen von den ewigen Fragen der Philosophie, was ist das Sein, Substanz, Wahrheit, Wirklichkeit und Realität in Abgrenzung zu Konstruktion, Wahn oder Illusion. Prognose, Trend, Optimierung und Automatisierung sind die weiteren Schlagworte.

Nicht alles, was sich automatisieren lässt ist eine Optimierung, um ein Beispiel zu geben. Tesla kann vom Scheitern seiner vollautomatisierten Fabriken ein Lied davon singen.

Unbefangene Daten gibt es nicht, sie brauchen immer die Interpretation, um zu Information als Entscheidungsgrundlage zu werden.

Hier winken dann schon die nächsten Fragen nach Ziel, Sinn und Werte, die sich dann in Innovation, Disruption oder neue Wertschöpfungsketten rückkoppelnd verlängern.

Scheinbar Triviales, mit dem jeder Philosoph vertraut ist und diese Fragen und Denkweisen werden und müssen Einzug in die Unternehmenswelt halten, will man erfolgreich AI umsetzen. Anders wird man den ground zero nicht bebauen können. Es braucht den philosophical turn, um Fundament zu legen.

Denn AI ist ein Instrument, das uns abbildet oder abbilden soll, was AI von allen anderen Instrumenten unterscheidet. Darum kommt man an fundamentalen Fragen nicht vorbei.

Fragen, die sich eigentlich jedes Unternehmen stellen sollte, denn es sind Fragen, die dem Markenkern und der eigenen Vision & Mission fundamental vorangehen. Und schließlich, die berühmte Frage nach der Ethik, die unter dem Kapitel „digitale Ethik“ diskutiert wird.

Buzz-words, die eigentlich alte Fragen stellen, ohne es oft zu wissen, dass hier alter Wein in neuen Schläuchen präsentiert wird, werden nicht helfen.

Um abschließend eine Analaogie zu bemühen: Man kann, wenn man will, Philosophie und philosophische Systeme als Algorithmus erachten, die die Daten zur Realität ordnen. Manche Kulturen sind mit ein- und denselben Wirklichkeit konfrontiert, aber ihr jeweiliger Algorithmus lässt die einen erfolgreich sein, andere nicht.

1. Status quo

Nicht wenige Unternehmen wollen AI und wollen damit Vorreiter und beim nächsten großen Ding mit dabei sein. Konkurrenzdruck und Herdentrieb tut sein übriges.

Blickt man dann in die IT-Landschaft, dann sieht man Windows 7 auf den Rechnern, physische Server und jede Menge proprietäre Softwareplattformen mit kaum zu handhabenden Schnittstellen zu veralteter Vertriebs- und Buchhaltungssoftware und vieles andere mehr.

Wenn man da steht, sollte man nicht mit einem AI Projekt starten, sondern einmal seine IT-Landschaft auf den aktuellen Stand bringen.

2. Human Ressource

Diese Frage korrespondiert meist mit der oben genannten Baustelle. Die meisten Mitarbeiter sind schon überfordert, einigermaßen unfallfrei die Office Suit oder andere Büroprogramme des Alltags zu benutzen. Sorgloser Umgang mit dem Handy und mangelndes Sicherheitsbewußtsein runden dies meist ab. Ohne massive Schulungen wird es nicht gehen.

3 . Strategie für Daten und Datenkonsolidierung

Jedes Unternehmen hat eine Vielzahl an Daten und sammelt sie munter drauf los. Gebunkert in unklaren Formaten, verschiedenen Datenträgern, inkoheränt und ohne Strategie und meist auf physischen Servern in-house und nicht in einer cloud.

Das eine Datensammlung ohne Strategie und Bezugsrahmen scheitern muss, braucht nicht weiter erklärt werden.

Big Data wird konventionell mit 4-stake gedacht, der 5th-stake ist aber Voraussetzung und geht vom ground zero aus. Big Data ohne Philosophien geht nicht.

4. Apps modernisieren

Typischerweise hat man eine 3-tier-Architektur (Daten/Informationne, Applikation, Auswertung/Präsentation) vor sich, wo der Einzelne  mit seinen Daten den individuellen tier darstellt. Das muss konsolidiert werden, damit Apps durchgreifen können und quasi Bahnen schaffen für die AI.

5. De-Nerdisierung

IT-Systeme sind in der Regel nicht benutzerfreundlich und nerdig. Setzt man hier AI drauf, kommt es zur Implosion: Der Mitarbeiter wird nicht mehr damit umgehen können un d wollen. Ein erster Schritt ist daher die bestehende IT-Landschaft userfreundlich, mitarbeiterfrundlich zu gestalten.

Alleine dies würde bei vielen Unternehmen eine dramatische Produktivitätssteigerung bewirken. Kommt dann AI hinzu, darf man sich einen Quantensprung erwarten (der aber nicht mit Innovation zu verwechseln ist!).

In Summe: Die Vorbereitung für die Implementierung von AI kann schon für das Unternehmen Vorteile und Produktivitätssteigerungen bringen. Alleine das zahlt sich schon für das Unternehmen aus; ganz ohne AI, die aber in Zukunft unvermeidlich ist. Darum: Hausaufgaben jetzt, um die unendlichen Weiten und Tiefen zu erforschen.